„Wir sehen den Menschen, nicht die Konfession“

28. Jul 2016

Erster landesweiter ökumenischer Kooperationsvertrag für Klinikseelsorge wurde im Klinikum Singen geschlossen

Stolz auf den ersten ökumenischen Kooperationsvertrag für die Klinikseelsorge im Land sind (vl.n.r.) Sabine Kast-Streib, Kirchenrätin der Evangelischen Landeskirche Baden, Albrecht Kollefrath, Leiter der Fachstelle Klinikseelsorge im Erzbischöflichen Seelsorgeamt, Waltraud Reichle, katholische Klinikseelsorgerin am Klinikum Singen, Christoph Labuhn, evangelischer Klinikseelsorger am Klinikum Singen, Dekanin Hiltrud Schneider Cimbal und Pfarrer Dr. Jörg Lichtenberg. Bild: aj
Stolz auf den ersten ökumenischen Kooperationsvertrag für die Klinikseelsorge im Land sind (vl.n.r.) Sabine Kast-Streib, Kirchenrätin der Evangelischen Landeskirche Baden, Albrecht Kollefrath, Leiter der Fachstelle Klinikseelsorge im Erzbischöflichen Seelsorgeamt, Waltraud Reichle, katholische Klinikseelsorgerin am Klinikum Singen, Christoph Labuhn, evangelischer Klinikseelsorger am Klinikum Singen, Dekanin Hiltrud Schneider Cimbal und Pfarrer Dr. Jörg Lichtenberg. Bild: aj

(Singen). Was im Alltag schon bestens funktioniert wurde im Klinikum Singen nun auf die Basis einer vertraglichen Vereinbarung gestellt: Die evangelische und katholische Klinikseelsorge schloss als erste im Land einen ökumenischen Kooperationsvertrag, der verbindlich das Miteinander regelt. Das wurde mit einer feierlichen Vertragsunterzeichnung im Turmsaal des Singener Klinikums im Rahmen eines Festaktes am 19. Juli gefeiert. Gekommen waren nicht nur Mitarbeiter des Klinikums sowie Freunde der Singener Klinikseelsorge, gekommen waren auch Vertreter der beiden Kirchen – der Evangelischen Landeskirche Baden und von der Erzdiozöse Freiburg, denn der Vertrag hat Modellcharakter und soll als positives Beispiel für andere Kliniken im Land dienen.

Wozu einen Vertrag schließen, wenn es doch schon gut läuft, fragte die katholische Klinikseelsorgerin Waldtraud Reichle in ihrer Begrüßungsrede die Festgemeinde. „Das Klinikum fordert uns als Kirche heraus“, begründet sie angesichts von rund 35.000 stationären Patienten im Jahr. Die eigene Arbeit zu überdenken, zu strukturieren, zu definieren und verbindlich zu regeln war das Anliegen. Als Sichtbarmachung des guten Miteinanders nach außen und als Erinnerungshilfe, wenn es einmal notwendig sein sollte. Dabei stand nicht das Trennende, sondern das Verbindende im Mittelpunkt, ohne die „Schätze der jeweiligen Kirche“ zu verneinen. „Wir sehen den Menschen, nicht die Konfession“, ist das Selbstverständnis der Arbeit der Singener Klinikseelsorge. Reichle wollte den Ökumenischen Kooperationsvertrag auch als Beitrag zum Reformationsjahr, zur Überwindung der Kirchenspaltung verstanden wissen. „Wir versprechen uns daraus eine Stärkung für den weiteren Weg“, gab sie ihrem Wunsch nach mehr Ökumene Ausdruck.

Albrecht Kollefrath, Leiter der Fachstelle Klinikseelsorge im Erzbischöflichen Seelsorgeamt, blickte auf die historische Entwicklung der Klinikseelsorge zurück. Sie kam aus der Diakonischen Liturgie - mit Ritualen und Gebeten wurden einst die Kranken begleitet. Doch Klinikseelsorge unterliegt einem ständigen Wandel, machte er deutlich. Die Hochleistungsmedizin führte zu einer Neuorientierung und Professionalisierung. Heute benötigt jeder Klinikseelsorger eine qualifizierte Zusatzausbildung, die auch therapeutisch-psychologische Aspekte beinhaltet. Fragen der Ethik haben Einzug in die Arbeit gehalten, die ganze Bandbreite der Spiritualität müsse angesichts immer weniger Menschen, die sich an eine Kirche gebunden fühlen, ausgehalten werden. Das erfordere ein „weites Herz und Toleranz“. Eine gute Vernetzung in das System Krankenhaus hinein sei zudem notwendig – so wie es in Singen gegeben ist.

Sabine Kast-Streib, Kirchenrätin der Evangelischen Landeskirche Baden, bezeichnete die Seelsorge als die „Muttersprache der Kirche“, sie gehöre zu den Kernaufgaben der Kirche Jesu Christi. Der Kooperationsvertrag mit seiner rund einjährigen Vorlaufzeit sei das „sichtbare Zeichen, dass diese Muttersprache uns verbindet“. Sie dankte auch der Klinikleitung, dass sie die ökumenische Seelsorgearbeit am Klinikum Singe so gut unterstütze.

Nach der feierlichen Unterzeichnung des Vertrags durch alle Verantwortlichen unterstrich in ihrem Grußwort Dekanin Hiltrud Schneider Cimbal auch im Namen ihres katholischen Kollegens Pfarrer Dr. Jörg Lichtenberg die Verbindlichkeit des Vertrags, der von Anwesenheit und Erreichbarkeit sowie gegenseitige Vertretung über die Nutzung von Räumen und die Zusammenarbeit mit Ehrenamtlichen bis zu der Veranstaltung von Gottesdiensten und die Kooperation mit anderen Kirchen und Religionen alles regelt. Chefarzt Prof. Andreas Trotter dankte als stellvertretender Ärztlicher Direktor im Namen des Klinikums sehr herzlich für den Dienst an den Patienten an 365 Tagen im Jahr an 24 Stunden pro Tag. Doch die Klinikseelsorge sei nicht nur für die Patienten und Angehörige, sondern auch für die Mitarbeiter da, jeweils unabhängig von der Konfession, lobte Trotter. Er dankte auch den vielen ehrenamtlichen Seelsorgern, den Hegne-Schwestern und Kommunionhelfern für die „gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit“. Trotter erklärte, er sei stolz darauf, dass der erste Vertrag dieser Art am Singener Klinikum geschlossen wurde.

In seinem anschaulichen, unterhaltsamen und zugleich nachdenklich stimmenden Festvortrag ging der Diplom-Theologe, Bioethiker und Regionalleiter der Gesundheitsholding Tauberfranken Thomas Wigant der Frage nach „Heilende Beziehungen ermöglichen: Warum das Eigentliche nicht gekauft werden kann“. Er hinterfragte die „Umprogrammierung der inneren Identität der Ärzte durch die Ökonomie“ und stellte fest: „manchmal verrutscht der Mittelpunkt“. Er appellierte ganz im Sinne des Deutschen Ethikrates, dass das „Patientenwohl wieder der Maßstab des Handelns“ werden solle. Eine Therapie sei beispielsweise nicht nur Technik, sondern ein Beziehungswerk. Er appellierte an die Anwesenden und an die Verantwortlichen und Tätigen in der Klinik zu „verstehen statt zu messen“, „ermöglichen statt zu machen“, „dankbar zu sein satt Anspruchsdenken“ und „eine Hilfe zu sein zur Annahme seiner selbst“. Die fortschreitende Säkularisierung werde „spiritual care“ zum Teil des klinischen Alltags machen, ist sich Wigant sicher. Den Seelsorgern wünschte er in ihrer Arbeit die Rückbesinnung auf das Eigentliche ganz im Sinne von „Du bist mir wichtig, weil ich in Dir Gott begegne“.

Der Klinikchor Sisingas unter der Leitung von Birgit Mehlich sorgte für den musikalischen Rahmen und begeisterte mit seinen Liedern die Anwesenden – anfangs noch von der brütenden Hitze im Turmsaal aus dem musikalischen Konzept gebracht, sang sich der Chor einmal mehr in die Herzen des Publikums.

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